Der Geschmack von Aprikoseneis
In 1000 Tweets à 140 Zeichen gibt Feurat Alani Einblick in die Geschichte des Iraks seit 1989. Damals reiste er als Neunjähriger zum ersten Mal mit den Eltern aus Frankreich in deren Heimat, lernte seine grosse Familie kennen, wurde geherzt und verwöhnt, überwältigt von Gerüchen und der Frage nach Zugehörigkeit. Als sich die Lage im Irak in den 1990er-Jahren zuspitzt, kehrt Alani als Journalist ins Land zurück. Jetzt berichtet er davon, wie komplex die Situation vor Ort ist und wie diffus die Trennlinie zwischen Gut und Böse – die wir oft sehr schnell zu erkennen meinen. Er denkt über westliche Privilegien nach und darüber, was es heisst, in einem Land zu leben, das weder Zugang zu medizinischer Hilfe noch zu Ikonen der westlichen Konsumgesellschaft wie Markenturnschuhen hat.
Alanis bikultureller Blick, gekonnt die Balance haltend zwischen Beschreibungen und Erklärungen, erlaubt eine unmittelbare Sicht auf den irakischen Alltag, wie wir sie aus den Medien nicht kennen. Dem Buch ging eine Animationsfilmreihe voraus, die Léonhard Cohen zeichnete. Seine einprägsamen, in satten Farben gehaltenen Bilder begleiten Alanis Tweets. Die Erzählform reagiert auf die schnelllebigen Veränderungen im Irak und die Tatsache, dass Kriege kein langes Rumsitzen an einem Ort zulassen. Trotz ihrer Kürze vermitteln die Texte erstaunlich viele Informationen. Wichtige Begriffe, Namen oder historische Ereignisse werden in der Marginalspalte kurz erläutert.