Zwischen dem Gras
Im Gedichtband «Als du Wolke warst» der chilenischen Autorin wurde uns die Welt mit einem frischen, ungewohnten Blick vermittelt. In ihrem neuen Band werden wir von María José Ferrada und Azul López eingeladen, selbst Gedichte zu «finden», unser gewohntes Umfeld neu zu erleben und dessen Eigenart genauer mit allen Sinnen wahrzunehmen. In ihren «Anleitungen» werden uns clevere Methoden an die Hand gegeben, um Denkmuster auf spielerische Weise zu hinterfragen und zu durchbrechen. Das Gewohnte wird zum Neuen und das Unbekannte zum Vertrauten, wenn wir uns eine Orange «sieben Mal» ansehen oder den «Raum zwischen dem Gras» erkunden. Wir trainieren, Vielfalt in der Monotonie des Alltags zu erkennen, unvoreingenommen auf sie einzugehen und in Form eines eigenen Gedichts – vielleicht in der «Sprache der Glühwürmchen» – weiterzugeben.
Die farbkräftigen Kreidezeichnungen komplementieren den Text perfekt, weil sie den Kontrast zu den weissen Flächen akzentuieren. Diese farblosen Lücken untermalen den Sinn des Experiments, sich der zunächst unbehaglich wirkenden Grenze zum Unbekannten anzunähern. Das Zusammenspiel zwischen Sprache und Welt wird besonders erfahrbar, wenn wir aufgefordert werden, uns «flüssige» oder «durchsichtige» Wörter auszudenken. «Zwischen dem Gras» ist ein zeitloses Juwel der Offenheit gegenüber der Welt und eine Ermunterung, sich auf das Nichts einzulassen, das sich als sehr vieles entpuppt, und auf die Zwischenräume zu achten, die oft viel mehr zu sagen haben als die Räume selbst.