
Die besseren Wälder
In der Nacht der heiligen Schur stirbt das 14-jährige Schafmädchen Melanie an einer Bisswunde, die zweifellos von einem Wolf stammt. Hauptverdächtiger ist ihr 17-jähriger Freund Ferdinand. Nach diesem Vorfall erfährt er nämlich, dass er als kleiner Wolfsjunge von einem kinderlosen Schafpaar aufgenommen wurde. Seine Wolfseltern wurden bei dem Versuch, ihrem ärmlichen Alltag in den bitteren Wäldern zu entkommen, erschossen. Ausgerechnet an der Grenze zu den besseren Wäldern, wo die wohlhabenden Schafe in malerischer Idylle wohnten, verloren sie ihr Leben. Ferdinand durchlebt an der Schwelle zum Erwachsenwerden eine zusätzliche Identitätskrise. Ist er nun Wolf oder Schaf? Fühlt er sich seinen Schafeltern zugehörig, die ihn liebevoll aufgezogen haben und zu ihm halten? Oder ist er von seinen Wolfsinstinkten getrieben, die tief in ihm schlummern? Wie viel von der jeweils anderen Seite steckt in ihm? Wie sehen ihn die anderen? Bisher war er den Schafen nur als Musterknabe mit meisterlicher Singstimme aufgefallen. Denn Ferdinand war es, der in der Gemeinde das schönste «Schafe Maria» singen konnte. Um die Wahrheit herauszufinden, muss Ferdinand die Grenze passieren und überraschende Erfahrungen machen.
Eine zeitlose Entwicklungsgeschichte, die unterschiedliche Sichtweisen erlaubt und die sprachlich höchst kreativ daherkommt. Dabei geht es um Sehnsucht nach einem besseren Leben, um Zerrissenheit und Heimatlosigkeit, aber auch um ein starkes Sicherheitsbedürfnis und um Abschottung. Die Form der Fabel schafft zwar Abstand zur Realität, doch die eindrücklichen Illustrationen der Protagonisten in Menschengestalt holen sie wieder heran.